Mit innovativen Mobilitäts-und Transportlösungen wollen wir als Mercedes-Benz einen signifikanten Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität in Städten leisten. Denn der Urbanisierungstrend wirkt sich insbesondere auf Metropolen aus: Dichter Verkehr und begrenzter Raum für Begegnungen sind die Folge. Gemeinsam mit Vertretern der öffentlichen Hand arbeiten wir deshalb an Lösungen für eine effiziente und sichere Mobilität.
Gerade jetzt kommt’s auf die Kraft der Argumente an
Interview MIT Eckart von Klaeden
Eckart von Klaeden vertritt die Interessen von Mercedes-Benz auf dem politischen Parkett. Sein täglich’ Brot: Mit Regierungen, Verbänden und NGOs eine möglichst große Schnittmenge zwischen Allgemeinwohl und Unternehmensinteresse finden. Wir haben von Klaeden fünf Fragen gestellt, um herauszufinden, was eine klimagerechte Verkehrspolitik ausmacht, wie er zu Verboten steht und weshalb Lobbyarbeit mehr zu guten Lösungen beiträgt, als ihr Ruf vermuten lässt.

Eckart von Klaeden
Rechtsanwalt und Leiter der Abteilung External Affairs bei der Mercedes-Benz Group AG
Herr von Klaeden, täglich kommen neue Mobilitätsangebote von E-Scooter bis Carsharing auf den Markt. Warum ist bei vielen trotzdem der eigene Pkw das bevorzugte Verkehrsmittel?
Als ich vor 40 Jahren meinen Führerschein gemacht habe, wäre ich mit dem ÖPNV auch schon damals deutlich günstiger weggekommen als mit dem Kauf meines ersten Autos. Trotzdem entschied ich mich dafür – wie so viele Menschen das weiterhin tun. Dafür gibt es Gründe: Das Auto bringt mich zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher wohin ich will – Fahrspaß und Komfort inklusive. Hinzukommt, dass zwei Drittel der Deutschen im ländlichen Raum wohnen, wo der öffentliche Nahverkehr kaum eine Ausbaustufe erreichen wird, die das Auto ersetzen könnte. Diskussionen, die den Pkw grundsätzlich infrage stellen, werden also oft aus einer städtischen Perspektive geführt. Wenn die Verkehrswende hin zu CO2-neutraler Mobilität gelingen soll, müssen wir aber die Bedürfnisse aller Menschen berücksichtigen und die Vorteile der individuellen Mobilität bewahren. Das ist auch ganz entscheidend für die öffentliche Akzeptanz. Mit politischen Ideen, die die Klimaschutzpolitik zur gesellschaftspolitischen Umerziehung nutzen wollen, ist niemandem gedient – weder der Mobilität, noch der Gesellschaft, noch dem Klimaschutz.
Lange galt das Konzept der autogerechten Stadt als vielversprechend. Was hat sich verändert und warum bringt sich Mercedes-Benz heute in die Stadtplanung ein?
Die autogerechte Stadt ist ein überholtes Konzept – auch für uns. Frische Luft, Ruhe und Naherholung, diese Aspekte spielen bei der Stadtplanung inzwischen eine entscheidende Rolle. Heute nimmt das Auto in der Stadt nach wie vor eine legitime Rolle ein. Umweltverträglichkeit, Emissionsschutz und die Integration in neue Verkehrskonzepte sind dafür die grundsätzliche Bedingung. Unsere Aufgabe als Automobilhersteller liegt auf der Hand: Die richtigen Produkte anzubieten. Mit unserem „Electric only“-Ansatz sind wir da auf einem guten Weg. Gleichzeitig unterstützen wir Städte dabei, ihre Verkehrskonzepte so effizient wie möglich zu gestalten. Und zwar nicht, weil wir Sorge haben, dass das Bedürfnis nach selbstbestimmter Mobilität sinken könnte – im Gegenteil.


Was halten Sie von regulatorischen Verboten in der Verkehrspolitik?
Es ist zum Beispiel verboten, auf der Autobahn Fahrrad zu fahren – das halte ich für sehr sinnvoll. Sich prinzipiell gegen Verbote auszusprechen, ist daher genauso unsinnig, wie grundsätzlich dafür zu sein – sie müssen verhältnismäßig sein. Ich bin dann gegen Verbote, wenn dadurch die Handlungsfähigkeit des Einzelnen eingeschränkt wird, obwohl es gute Alternativen gibt. Ein Beispiel dafür ist der CO2-Preis anstelle eines Verbrennerverbots. Steigt dieser Preis, erhöht sich auch der ökonomische Anreiz, weniger oder gar kein CO2 auszustoßen. Parallel dazu darf der Preis für Ladestrom natürlich nicht hochschnellen, sondern sollte bestenfalls sinken. Für eine breite Akzeptanz der Transformation in der Öffentlichkeit ist aber auch ein sozialer Ausgleich erforderlich. Und auch der Faktor Begeisterung darf nicht vernachlässigt werden: Wenn ich E-Mobilität als eine belastende Einschränkung verkaufe, darf ich mich über zögernde Kunden wirklich nicht wundern. Das Entscheidende muss doch sein, dass ich das Fahrzeug fahren will – und nicht muss. Je größer die Begeisterung, desto schneller der Umstieg. Als Luxushersteller sind wir daher besonders gefordert, technische Lösungen zu entwickeln, die die Dekarbonisierung vorantreiben und Menschen mitreißen. Springt der Funke nicht nur auf den Kunden, sondern auch auf andere Hersteller über, entwickelt sich ein Wettbewerbsmodell – zugunsten des Klimaschutzes.
Wie abhängig ist der Geschäftserfolg von politischen Entscheidungen?
Das kommt ganz auf die Entscheidungen an. Mit unserem „Electric only“-Ansatz sind wir ohnehin besonders ambitioniert1. Neben der Flottengesetzgebung werden auf europäischer Ebene Recyclingvorschriften oder die Lieferkettengesetzgebung immer wichtiger. Unser Geschäftserfolg hängt aber unter anderem davon ab, dass die öffentliche Hand nicht nur reguliert, sondern auch die Voraussetzungen für den Erfolg der Transformation schafft. Beispiel Infrastruktur: Während wir als Hersteller mit attraktiven Produkten den Umstieg auf E-Mobilität erleichtern, muss die Politik gemeinsam mit den Energieunternehmen die dafür notwendige Infrastruktur bereitstellen. Laut Bundesregierung sollen bis 2030 insgesamt eine Million Ladepunkte dazukommen. Aktuell kommen jeden Monat 1.000 neue Ladepunkte ans Netz. Um die EU-Ziele zu erreichen, müssten pro Woche aber mehr als 2.000 Ladepunkte entstehen. Verantwortung ist aus meiner Sicht nie exklusiv, weshalb wir uns mit IONITY am Ausbau der Ladeinfrastruktur beteiligen – und die Politik mit ihrer Umweltprämie die Attraktivität unserer Produkte steigert. Trotzdem ist jetzt vor allem die Politik gefragt, den Schalter für den Hochlauf der Ladeinfrastruktur umzulegen.
1 Mercedes-Benz hat das Ziel, bis zum Ende des Jahrzehnts bereit zu sein, vollelektrisch zu werden – überall dort, wo es die Marktbedingungen zulassen.Wie gehen Sie damit um, dass Ihr Ringen um Interessenausgleich nicht den besten Ruf genießt?
Viele haben ein verfälschtes und veraltetes Bild von der politischen Interessenvertretung. Ich kann in meinem Job nur dann erfolgreich sein, wenn ich seriös und vertrauensvoll für unsere Ziele werbe. Und es ist auch nicht so, dass wir in der Lobbyarbeit auf Entscheidungen hinwirken, die dann eins zu eins politisch umgesetzt werden. Die Politik soll eigenverantwortlich richtige Entscheidungen treffen und wir setzen uns dafür ein, dass dabei unsere Interessen angemessen berücksichtigt werden. Lobbyismus bedeutet, gemeinsam die größtmögliche Schnittmenge zwischen Allgemeinwohl und Unternehmensinteresse zu finden. Ganz egal ob das Arbeitsplätze, die Euro-7-Gesetzgebung oder Ladesäulen sind: Wir setzen bei unserer Arbeit auf die Kraft der Argumente – und eine gesunde Mischung aus Pragmatismus und Ambition.
Eckart von Klaeden
ist Rechtsanwalt und Leiter der Abteilung External Affairs bei der Mercedes-Benz Group AG. Von 1994 bis 2013 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und von 2009 bis 2013 Staatsminister im Bundeskanzleramt. Anschließend wechselte er zur damaligen Daimler AG. Dort tritt er in Dialog mit Politik, Verbänden sowie NGOs.


Bei jeder Innovation geht es darum, reale Probleme zu lösen
MIT Rikesh Shah
Stellen Sie sich eine Metropole vor, in der Einwohner und Touristen fast ausschließlich nachhaltige Mobilitätsangebote wählen und in der es keine schweren Unfälle und keine Verkehrstoten mehr gibt. Im Interview erzählt Rikesh Shah von der Londoner Verkehrsbehörde Transport for London (TfL), welche Rolle Mercedes-Benz in diesem Szenario spielt.

Rikesh Shah
Head of Commercial Innovation bei Transport for London
Londons Bürgermeister, der auch der Vorsitzende der TfL ist, möchte „eine Stadt für alle Londoner“ schaffen. Wie wird diese Stadt im Detail aussehen?
London soll eine sicherere, inklusivere, grünere und auch wohlhabendere Stadt werden. In seiner Verkehrsstrategie hat sich der Bürgermeister daher ein zentrales Ziel gesetzt: Bis 2041 sollen 80 Prozent aller Strecken in der Stadt zu Fuß, mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden. Es ist großartig, so einen Leitstern als langfristiges Ziel zu haben, auf das wir hinarbeiten.
Wie setzen Sie die Verkehrsstrategie um?
Die neuesten technologischen Fortschritte werden zahlreiche Innovationen ermöglichen, die auf unsere Strategie einzahlen. Unseren Innovation Hub haben wir genau deshalb ins Leben gerufen – damit wir uns auf einige wenige Schlüsselbereiche konzentrieren können. Natürlich sind wir uns bewusst, dass sich die Mobilität verändert. Wenn ich als Kind irgendwohin wollte, haben mich entweder meine Eltern mit dem Auto dorthin gebracht oder ich bin mit meinem BMX-Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. Heute gibt es eine Fülle von Möglichkeiten. Man kann ein eigenes Fahrrad besitzen oder leihen – ganz egal, ob ein Klapprad oder ein E-Bike, das man stationsabhängig oder stationsunabhängig mieten kann. Mit dem Auto oder lokalen Taxiservices ist es ähnlich. Außerdem kann man sich über Mitfahrdienste Fahrten mit anderen Personen teilen. Im Innovation Hub arbeiten wir an neuen Mobilitätskonzepten und überlegen, wie Mobilität in der Stadt durch technologischen Fortschritt sicherer und zugänglicher werden kann. Die Schlüsselfrage ist, wie wir unseren Stadtverkehr durch den Einsatz neuer Technologien besser managen.


Eine klare Strategie: Sicherheit als ein Kernziel
Was sind die größten Herausforderungen für Sie?
Sicherheit ist im Stadtverkehr zentral, es geht darum Menschen sicher von A nach B zu bringen. Im Jahr 2020 hatten wir auf Londons Straßen tragischerweise 96 Verkehrstote zu beklagen. Diese Zahl wollen wir auf null bringen. Unsere „Vision Zero“ ist das wichtigste Anliegen. Ein weiteres Thema, das für unsere Organisation sehr relevant ist, sind die Finanzen. TfL erwirtschaftet 72 Prozent seines Umsatzes mit Fahrkartenverkäufen. Durch die COVID-19-Pandemie mussten alle Verkehrsunternehmen Großbritanniens Umsatzeinbußen hinnehmen. Als drittes zentrales Aufgabenfeld haben wir mit unserer Dekarbonisierungsagenda einen klaren Plan auf den Weg gebracht, wie wir London zu einer grünen Stadt weiterentwickeln. Das sind drei ganz unterschiedliche Beispiele für die Herausforderungen, vor denen wir stehen – sie alle haben Priorität.
Um auf COVID-19 zurückzukommen: Welche Auswirkungen hatte die Pandemie sonst noch auf Ihre Arbeit?
Sie hat dazu beigetragen, einige nachhaltige Mobilitätskonzepte zu stärken. Wir haben beispielsweise in großem Umfang Mittel und Gelder in neue Rad- und Fußgängerwege investiert. Ziel war es auch, als Reaktion auf das geänderte Mobilitätsverhalten in der Pandemie, dafür zu sorgen, dass sich die Bürger sicher in der Stadt bewegen können. Aber das ist noch nicht alles: Vor der COVID-19-Pandemie, also bis März 2020, bestand meine Aufgabe darin, Bürger zu ermutigen, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Mit dem Ausbruch der Pandemie mussten wir schlagartig aus einem ganz anderen Blickwinkel heraus noch stärker darüber nachdenken, wie wir unsere öffentlichen Verkehrsmittel sauber und sicher halten. Das ist auch mit der neuesten Virus-Variante immer noch eine Herausforderung. Wir halten uns dabei an die staatlichen Vorgaben und die des Gesundheitswesens und wollen sicherstellen, dass wirklich jeder in unserem Verkehrsnetz geschützt ist.
Nehmen Sie auch Veränderungen wahr, die Sie in Ihrer Arbeit im Innovationszentrum bestärken?
Definitiv. Während der Pandemie haben wir beispielsweise eng mit den zahlreichen Londoner Reisebüros und unterschiedlichen Interessengruppen aus den Bezirken und Gemeinden zusammengearbeitet. Im ersten Schritt haben wir uns zu verschiedenen Maßnahmen ausgetauscht, die wir getestet hatten. Auf dieser Basis sind jede Menge neuer Ideen entstanden. Aufgrund der großen Ungewissheit konnten wir etwas mehr experimentieren als normalerweise. Es war wirklich unglaublich beeindruckend, wie schnell wir auf die richtige Lösung gekommen sind, nachdem wir uns alle denkbaren Optionen angeschaut haben.


Ein innovativer Service: Fahrgastinformationen in Echtzeit
Könnten Sie uns ein Beispiel dafür geben?
Während der ersten Pandemiewelle wurde in London ein neues Krankenhaus gebaut. Wir haben darauf abgestimmte neue Transportdienste eingeführt, damit das medizinische Personal sicher zur Arbeit und wieder nach Hause kam. Unsere Idee war es, Fahrgastinformationen in Echtzeit bereitzustellen, damit die Ärzte und Pflegekräfte ohne Wartezeiten in den Bus steigen konnten. Menschenansammlungen an den Haltestellen und das damit verbundene Infektionsrisiko sollten dadurch vermieden werden. Als die Buslinie ihren Betrieb aufnahm, hat ein Team aus Kollegen in Zusammenarbeit mit einem Startup-Unternehmen Busse mit einer Reihe von Sensoren ausgestattet, die für die GPS-Ortung programmiert wurden. Anschließend haben sie die übermittelten Daten in einen Fahrplanservice umgewandelt und sämtliche Informationen an App-Entwickler und andere weitergegeben. So konnten Ärzte und Pflegekräfte in Echtzeit genau abrufen, wo und wann der Bus sie mitnehmen würde. Das alles entstand in einem Zeitraum von weniger als drei Wochen. Wir haben ein unglaubliches Team und ein hervorragendes Ökosystem an Innovatoren.
Arbeiten Sie auch mit Daten, um auf die Auswirkungen des Straßenverkehrs zu reagieren?
Ja, auf jeden Fall. Dank der Technologie können wir Daten auf eine Art und Weise nutzen, die vor zehn Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben: Zusammen mit dem deutschen Technologiekonzern Bosch wollten wir die Luftqualität an der Hauptstraße eines Londoner Stadtbezirks verbessern. Dazu haben wir Luftmessstationen installiert und den Verkehrsfluss gesteuert, indem wir die Ampelschaltungen angepasst haben. Das Ergebnis: Wenn der Verkehr durch ein dicht besiedeltes Gebiet lief, floss er reibungslos und Stop-and-go gab es auch nicht mehr. Daraufhin haben wir zahlreiche Daten analysiert, darunter Fahrzeugtypen, die dort unterwegs sind, die Gebäudetypologie und sogar die Wetterdaten. All diese Daten haben wir mit denen der Luftqualitätssensoren zusammengebracht. Dadurch konnten wir ein Modell entwickeln, das genau zeigte, welche Auswirkungen die Anpassung der Ampelschaltung hatte. Obwohl das Verkehrsaufkommen in der Gegend niedrig war, konnte die Luftqualität dort um sechs Prozent verbessert werden. Das datenbasierte Lenken des Verkehrs hat sich also in diesem Fall als nachweislich erfolgreich herausgestellt. Das ist ein wirklich gutes Beispiel dafür, wie wir Daten heute nutzen und hoffentlich bald anderswo skalieren können.
Gemeinsam für Vision Zero
Die Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit mit Blick auf das Vision Zero-Ziel ist das andere zentrale Thema der neuen Verkehrsstrategie. Wo stehen Sie heute?
Im Vergleich zu 2019 ist die Zahl der Toten und Schwerverletzten bereits deutlich zurückgegangen. Aber das reicht noch nicht aus. Es geht jetzt darum, wie wir auf dem Weg zur Vision Zero weitermachen – wir werden jedenfalls nicht aufhören, uns anzustrengen, bis wir die Null erreicht haben.
Sie arbeiten zusammen mit Mercedes-Benz an einem Programm für mehr Verkehrssicherheit. Wie kam es zu dieser Partnerschaft?
Die begann vor ein paar Jahren mit einem Pausengespräch beim London Automotive Forum. Anschließend haben sich das Team Urban Mobility Solutions von Mercedes-Benz und TfL über ihre Problemstellungen ausgetauscht. Ziemlich schnell wurde dabei klar, dass wir uns auf das Thema Sicherheit konzentrieren sollten. In der Folge haben wir dazu einige Workshops veranstaltet, in denen wir das Konzept „Fahrzeug als Sensor“ entwickelt haben. Ein gewöhnlicher Pkw ist mit vielen Sensoren ausgestattet. Die gesammelten Daten werden genutzt, wenn der Kunde seine Einwilligung dazu erteilt. Diese Analysen sind mit Blick auf die Verkehrssicherheit sehr spannend. Bisher hat sich unser Tool für die Risikomodellierung auf eine Reihe von Datenpunkten von TfL und auf Datenpunkte der lokalen Ordnungsbehörden konzentriert. Als wir angefangen haben, einige der Fahrzeugdatenanalysen abzufragen, haben wir viele neue Erkenntnisse gewonnen.
Können Sie uns mehr über diese Erkenntnisse erzählen?
Wir haben uns eine Schnellstraße mit zweispurigen Richtungsfahrbahnen genauer angeschaut. An einer Stelle wird der Asphalt in der Mitte der Fahrbahn durch ein Blumenbeet unterbrochen. Durch die Analyse der anonymisierten Fahrzeugdaten, die Mercedes-Benz an uns übermittelt hat, haben wir festgestellt, dass das Fahrerassistenzsystem (Advanced Driver Assistant System, ADAS) an dieser Stelle eine Notbremsung eingeleitet hat. Später haben wir dann herausgefunden, dass Gäste eines gegenüberliegenden Hotels das Blumenbeet als Querungshilfe genutzt haben: Anstatt den nächsten Fußgängerüberweg zu nutzen, haben sie versucht, dort die Straße zu überqueren. Das ist ein Beispiel für eine Gefahrenstelle, die wir anhand allein unserer Daten nicht entdeckt hätten, da es dort bisher keine Auffälligkeiten gab. Daher prüft das Team nun die Möglichkeiten, die Daten von Mercedes-Benz Pkw mit Daten aus anderen Quellen, z. B. von Rollern, Zweirädern oder dem Frachtverkehr, zu ergänzen. Ziel ist es, diese Erkenntnisse zu nutzen, um unsere Risikomodellierung für den Straßenverkehr zu verbessern und so einen signifikanten Beitrag zur Verkehrssicherheit in London zu leisten. Auf Basis dieser Erkenntnisse können TfL und die zuständigen Behörden in gezieltere Maßnahmen investieren, um unsere Straßen für alle sicherer zu machen.


Welche Rolle könnten vernetzte Fahrzeuge in einem Mobilitätskonzept der Zukunft spielen?
Die Qualität der von den Pkw generierten Daten geht über Verkehrssicherheitsaspekte hinaus. Es wäre auch eine Auswertung der Informationen zu den Fahrtrouten denkbar. Wie bringt man den Fahrer am schnellsten, sichersten, zuverlässigsten und umweltfreundlichsten von A nach B? Welchen Optimierungsgrad kann man für die Fahrt von A nach B erreichen? Dazu müssten wir jedoch andere Daten haben als die, die wir heute nutzen, und wahrscheinlich wäre für die Nutzung auch eine weitergehende Einwilligung der Fahrer erforderlich.
Ein spannender Job: Zauberer zusammenbringen
Im Innovationszentrum von TfL gibt es eine Menge interessanter Projekte zu entdecken.
Auf jeden Fall. Und wir können diese Projekte nicht alleine durchführen. Wir sind auf die Zusammenarbeit mit Partnern und die Bereitschaft der Fahrer, Daten an uns zu übermitteln, angewiesen. Die Zauberer sind die Innovatoren. Unser Job ist es, die Projekte zu betreuen und einige von diesen großartigen Ideen zusammenzubringen. Die Entwicklung guter Lösungen überlassen wir den Innovatoren mit ihren genialen Fähigkeiten, denn bei jeder Innovation geht es darum, reale Probleme zu lösen. Es ist mir auch wichtig zu sagen, dass es der brillanten Kreativität und dem Verstand der Menschen – Zulieferer, Akademiker, TfL-Kollegen einschließlich meines Teams und anderer – zu verdanken ist, dass wir im Innovation Hub neue Konzepte ausprobieren können.
Welches reale Problem würden Sie persönlich denn gerne lösen?
Ich bin in London geboren und aufgewachsen und jetzt wachsen meine eigenen Kinder hier auf. Wenn ich an früher zurückdenke, muss ich feststellen, dass London vor 40 Jahren ganz anders war als heute. Doch lassen wir die Nostalgie beiseite. Ich möchte, dass meine Kinder dort aufwachsen, wo die Luft, die sie atmen, nicht gesundheitsschädlich für sie ist. Ich möchte, dass sie sich sicher bewegen und fit halten können und ich möchte, dass sie das, was London zu bieten hat, wirklich genießen.
Wie sieht Ihr persönlicher Mobilitätsmix aus?
Wir sind vor Kurzem umgezogen und wohnen nun gegenüber von einem Park. Meine Familie hat das Fahrradfahren für sich entdeckt. Wir fahren jetzt durch den Park, was eine gute Sache ist. Ich gehe auch regelmäßig spazieren und joggen, vor allem, weil ich im Homeoffice arbeite. Ich habe in Summe aber nicht genug Gelegenheit, Sport zu treiben. Wenn ich wirklich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann, nutze ich das Auto meiner Frau. Da viele von uns, auch ich, wegen der Pandemie von zu Hause aus arbeiten mussten, habe ich festgestellt, dass ich meine Fahrt mit der Jubilee Line vermisst habe. Ob Sie es glauben oder nicht, ich habe meine Busfahrten vermisst. Sobald die jetzige Homeoffice-Phase beendet ist, werde ich wieder den Bus nehmen. Sie sehen, ich setze das multimodale Verkehrskonzept perfekt um.
Stehen Sie kurz davor, das 80-Prozent-Ziel Ihres Bürgermeisters zu erreichen?
Da muss ich mal auf den Schrittzähler gucken (lacht). Ich würde sagen, ich bin bestimmt nahe dran. Ich nutze das Auto heute wahrscheinlich für eine halbe Stunde, um einen meiner Söhne von der Schule abzuholen. Die Antwort ist also: Ja, bei mir steht es etwa 80 zu 20. Und es ist auch einfach zu schaffen. Sie wissen ja, in London ist man normalerweise nicht weiter als 365 Meter von einem TfL-Angebot entfernt.
Herr Shah, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Rikesh Shah
verantwortet als Head of Commercial Innovation bei Transport for London die Zusammenarbeit von TfL mit Marktinnovatoren. Ihr Ziel ist es, Mehrwert für die Stadt zu schaffen. Er ist auch Mitglied des Smart London Board, dessen Aufgabe darin besteht, den Bürgermeister bei der Entwicklung seiner Vision und Strategie für Londons Smart City Agenda und Investitionen in die Dateninfrastruktur zu unterstützen.