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Nachhaltigkeitsbericht 2022

„Wir müssen dafür sorgen, dass Wohlstand gerecht verteilt wird“

Wenn Wohlstand und Chancen innerhalb einer Gesellschaft zunehmend ungleich verteilt sind, ist der soziale Zusammenhalt gefährdet. Dies wiederum erschwert die gemeinsame Arbeit an einer klimaneutralen Zukunft. Was sollten Unternehmen tun, um Gleichstellung, Fairness und Integration zu fördern? Und welche Rolle spielt ein Luxusfahrzeughersteller wie Mercedes-Benz in dieser Hinsicht? Ein Interview mit James Gomme, Leiter der Business Commission to Tackle Inequality (BCTI) des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD).

James Gomme (Foto)

James Gomme

WBCSD

Herr Gomme, Einkommen und Vermögen waren in Gesellschaften schon immer ungleich verteilt. Sie sagen aber, dass jetzt ein kritischer Punkt erreicht ist. Warum?

Während die Ungleichheit zwischen den Ländern in den letzten Jahrzehnten abgenommen hat, hat sich das Wohlstands- und Einkommensgefälle innerhalb der Länder vergrößert. Die ungleiche Verteilung des Vermögens ist heute so groß wie seit Anfang des 19. Jahrhunderts nicht mehr, wobei die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung 75 Prozent des gesamten Vermögens besitzen und die ärmsten 50 Prozent nur 2 Prozent. Extreme Ungleichheit war in der Vergangenheit ein Vorbote von Instabilität, das ist heute nicht anders. Gleichzeitig treffen Entwicklungen wie zum Beispiel Konflikte, Klimawandel, technologische Umwälzungen und die COVID-19-Pandemie die Schwächsten am härtesten und haben das Potenzial, das Ausmaß der Ungleichheit in der Welt in den kommenden Jahren weiter zu verschärfen. Auch wenn Ungleichheit seit jeher Teil unserer Gesellschaften ist, haben wir meiner Meinung nach jetzt einen kritischen Punkt erreicht. All das, also das hohe Ausmaß der Ungleichheit, ihr struktureller Charakter und die historischen Umbrüche, verdichten sich zu einem systemischen Risiko. Davon sind nicht nur einzelne Gemeinschaften oder Unternehmen betroffen, sondern ganze Volkswirtschaften und Gesellschaften.

Wie hängt dieses Ungleichgewicht mit der Klimakrise und dem Ziel einer klimaneutralen Zukunft zusammen?

Die planetarische Krise hat tiefgreifende Auswirkungen auf uns Menschen. Sie beeinflusst die Gesundheit, beeinträchtigt den Zugang zu wichtigen Produkten und Dienstleistungen und zerstört Lebensgrundlagen. Nach Schätzungen der Weltbank könnten aufgrund des Klimawandels bis zum Jahr 2030 rund 132 Millionen Menschen in die extreme Armut getrieben werden. Um soziale Ungleichheit zu adressieren, ist es daher unerlässlich, den Klimawandel mit vereinten Kräften zu begrenzen und uns an die geänderten klimatischen Bedingungen anzupassen. Umgekehrt können wir den Klimanotstand nicht bekämpfen, ohne die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Wir müssen daran arbeiten, dass der Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft eine gerechtere, erfolgreichere Zukunft für alle schafft. Der Wandel ist mit tiefgreifenden Folgen für Arbeitnehmer, Zulieferer, Kommunen und Verbraucher auf lokaler und globaler Ebene verbunden. Unternehmen müssen mit Regierungen und anderen Interessengruppen zusammenarbeiten, um negative Auswirkungen bewusst und gemeinsam abzumildern und einen Übergang zu gewährleisten, in dem jeder weiterhin Chancen für sich erkennen kann.

Alle Stakeholdergruppen arbeiten zusammen (Foto)
Wenn alle Stakeholdergruppen zusammenarbeiten, kann ein sozial gerechter Übergang gelingen.

Was können Unternehmen tun, um dieses Szenario zu fördern?

Es gibt eine Reihe sinnvoller Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, um Ungleichheiten zu bekämpfen. Zentral ist die Achtung der Menschenrechte. Diese Haltung trägt dazu bei, die Menschenwürde in den Fokus aller Geschäftsaktivitäten zu rücken. Sie stärkt die Fähigkeit eines Unternehmens, Menschen aus der Armut zu befreien und das Leben der schutzbedürftigsten Menschen auf dieser Welt zu verbessern.
Darüber hinaus können Unternehmen ihre Innovationskraft und weitere Ressourcen nutzen, um wichtige Produkte und Dienstleistungen für bislang unterversorgte Verbraucher erschwinglich zu machen. Die Wirtschaft muss neue Wege finden, um sicherzustellen, dass jeder Zugang zu dem hat, was er braucht, um gesund und leistungsfähig zu sein. Vielleicht gelingt das in Zusammenarbeit mit Regierungen oder durch neue Mechanismen der Mischfinanzierung.

Auch Arbeitsplätze werden durch Unternehmen aufgebaut und Aufstiegschancen ermöglicht. Folglich sollten diese Sorge dafür tragen, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Hintergrund berücksichtigt werden. Arbeitnehmer und Berufseinsteiger sollten die richtigen Fähigkeiten erwerben können, um jetzt und in Zukunft erfolgreich zu sein. Nicht zuletzt ist es entscheidend, dass die Wirtschaft für eine gerechtere Verteilung von Wohlstand und Risiko sorgt. Heute verdienen weltweit über eine Milliarde Erwerbstätige weniger, als sie benötigen, um sich einen angemessenen Lebensstandard zu sichern.

Um die Ungleichheit zu bekämpfen und das Vertrauen in unser Wirtschaftssystem wiederherzustellen, muss unbedingt dafür gesorgt werden, dass Arbeit für alle Menschen einen Weg aus der Armut darstellt, dass sie eine Chance für Aufstieg und Wohlstand bietet.

Welche Verantwortung ergibt sich daraus für einen Luxushersteller wie Mercedes-Benz?

Ich sehe eine große Chance darin, den Luxusbegriff neu zu definieren. Luxus sollte sich nicht nur auf den Nutzen beziehen, den Verbraucher aus einem Produkt ziehen. Vielmehr sollte ein Luxusgut sich auch dadurch auszeichnen, dass seine Herstellung sich positiv auf die Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette auswirkt. Jeder Bestandteil des Produkts sollte auf eine Weise beschafft oder hergestellt worden sein, die einer Vielzahl von globalen Akteuren einen Mehrwert bietet, ihr Leben bereichert und einen Beitrag dazu leistet, Ungleichheit zu bekämpfen. Unsere Untersuchungen beim BCTI zeigen, dass diese Aspekte für Verbraucher immer wichtiger werden und in Zukunft relevante Wettbewerbsvorteile sein könnten.

Wirtschaftswelt versammelt sich hinter dem Ziel der Klimaneutralität (Foto)
Wie sich die Wirtschaftswelt hinter dem Ziel der Klimaneutralität versammelt, zeigt, dass der Weg nur gemeinsam gegangen werden kann. Das gilt auch für den Weg zu den sozialen Zielen.

Soziale Ungleichheit wird häufig in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Risikos betrachtet. Sehen Sie auch Chancen, wenn es darum geht, Ungleichheit zu bekämpfen und eine gerechtere und integrativere Gesellschaft zu verwirklichen?

Rein wirtschaftlich betrachtet geht es bei der Bekämpfung von Ungleichheit in der Tat häufig zunächst einmal darum, Risiken zu minimieren. Daneben eröffnet sie dem Unternehmen aber auch eine Vielzahl von Möglichkeiten, um langfristig erfolgreich zu sein. Ungleichheiten zu beseitigen, wirkt sich positiv auf das unternehmerische Umfeld aus. Es schafft Vertrauen, erhöht die soziale und politische Stabilität und dämmt Krisen ein. Es gibt auch immer mehr Belege dafür, dass es ein langfristiges, nachhaltiges Wirtschaftswachstum fördert. Unternehmen, die sich für Chancengleichheit und Fairness einsetzen, profitieren auf verschiedenen Ebenen. Sie werden zum Beispiel als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen, der Mitarbeitende, aber auch Kunden an sich bindet. Sie verbessern den Zugang zu Kapital und sind dem politischen und regulatorischen Wandel einen Schritt voraus. Natürlich ist es mit Kosten verbunden, soziale Gerechtigkeit zu fördern, aber diese Kosten sollten als Investitionen in den langfristigen Unternehmenserfolg betrachtet werden. Also ja, es gibt enorme Möglichkeiten, sowohl im Unternehmensumfeld als auch auf der Ebene einzelner Unternehmen.

Was macht Ihnen Mut, dass es der Weltgemeinschaft gelingen wird, den derzeitigen Trend umzukehren und die Ungleichheit wirksam zu bekämpfen?

Es gibt einige Entwicklungen, die mir Hoffnung machen. Zum Beispiel haben wir in den vergangenen Jahren einige Fortschritte bei der Bewältigung des Klimanotstands gemacht. Das finde ich ermutigend. Natürlich haben wir auch hier noch viel zu tun, aber wir sehen, dass sich die gesamte globale Wirtschaftswelt hinter die Verpflichtung zur Klimaneutralität stellt. Wir haben auch gesehen, dass Regierungen weitgreifende Maßnahmen ergriffen haben. Gremien wie die Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) und das International Sustainability Standards Board (ISSB) haben begonnen, klare Standards festzulegen – das hilft dabei, ein breiteres Engagement zu erreichen. Für mich ist das alles eine wichtige Blaupause für den Weg, den wir auch auf der sozialen Seite der nachhaltigen Entwicklung beschreiten müssen.
Und auch auf persönlicher Ebene macht mir der Kontakt zu führenden Unternehmen auf diesem Weg Hoffnung. Es gibt eine wachsende Gemeinschaft engagierter Personen und sinnorientierter Unternehmen, die diese Agenda vorantreiben, und wir freuen uns sehr, dass wir auf ihre Führung zählen können. Der dringende Appell an alle Unternehmen lautet nun, die ihnen zur Verfügung stehenden Methoden und Ressourcen zu nutzen, um der Gefahr zunehmender Ungleichheit Einhalt zu gebieten. Wir müssen dafür sorgen, dass Chancengleichheit und Wohlstand für alle möglich sind.

James Gomme

begann seine Tätigkeit für den WBCSD im März 2016 während einer langfristigen Entsendung der Mitsubishi Corporation, der größten japanischen Handels- und Investmentgesellschaft. Im Juli 2021 rief er die Business Commission to Tackle Inequality (BCTI) ins Leben. Die Initiative zielt darauf ab, die Rolle der Wirtschaft bei der Bekämpfung der weltweit zunehmenden Ungleichheit klar zu definieren. Erste Handlungsempfehlungen sind in dem Bericht „Tackling inequality: The need and opportunity for business action" (Ungleichheit bekämpfen: Notwendigkeit und Chance für unternehmerisches Handeln) enthalten.

International Sustainability Standards Board (ISSB)
Das ISSB ist ein unabhängiges, privatwirtschaftliches Gremium, das die IFRS Sustainability Disclosure Standards (IFRS SDS) entwickelt und verabschiedet. Das ISSB wurde 2021 eingerichtet, um den Bedarf an globalen Nachhaltigkeitsstandards zu decken.
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Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD)
Die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) ist eine vom Financial Stability Board gegründete Initiative zur Unternehmensberichterstattung. Ihr langfristiges Ziel ist es, klimabezogene Chancen und Risiken in die Geschäfts- beziehungsweise Finanzberichte von Unternehmen zu integrieren. Im Jahr 2017 hat sie dazu Empfehlungen zu einer einheitlichen Klimaberichterstattung für Unternehmen herausgegeben.
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